Um eine interessante Geschichte zu erfahren, oder bedeutende Kunst zu erleben, muss man im Münsterland zum Glück nie weit fahren. Ist dieser Landstrich im Nordwesten Deutschlands doch angefüllt mit Anekdoten, Persönlichkeiten und historisch relevanten Orten. So sehr, dass es vermutlich länger als ein Menschenleben dauern würde, wollte man alles einmal mit eigenen Augen sehen. Grund genug für mich, heute nur einen dieser Orte hier vorzustellen: das Otto-Pankok-Museum, welches im Haus Esselt in Hünxe seine Heimat gefunden hat.
Mein erster Kontakt mit diesem Museum liegt schon recht lange zurück. Ich war damals noch Fotograf für das Kunstmagazin „mensch + kunst“ und als ebensolcher von einem gewissen Herrn Günter Grass geladen. Jener hat damals dort aus seinem Buch „Beim Häuten der Zwiebel“ gelesen und war so freundlich, einer kleinen Anzahl Fotografen die Erlaubnis zu erteilen, dies für die Nachwelt auf Zelluloid zu bannen.
Spätestens jetzt werden sich die ersten fragen, was hat der Literatur-Nobelpreisträger Grass mit dem besagten Museum zu tun? Kurzum, sehr viel! Herr Grass hat in der Zeit von 1948 bis 1952 an der Kunstakademie in Düsseldorf Bildhauerei studiert und dies bei keinem Geringeren als Otto Pankok. Ja, genau. Der spätere Blechtrommel-Autor begann seine künstlerische Karriere als Grafiker und Bildhauer. Ein Umstand, der nur den wenigsten bekannt sein dürfte. Dieses erklärt aber auch sehr schön, warum Herr Grass Zeit seines Lebens mit der Familie Pankok und dem Haus Esselt verbunden gewesen ist. Doch ich schweife ab; soll es in diesem (etwas ausufernden) Artikel doch viel mehr um die Person Otto Pankok gehen.
Pankok, der 1893 in Mülheim geboren wurde, begann im Alter von 20 Jahren sein Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf. Hier wohl noch nicht ahnend – da er sein Studium abbrach — dass er dort später selbst als Professor tätig sein würde. In den Wirren des 1. Weltkrieges, der 1914 begann, wurde er verletzt, war lange Zeit im Lazarett und wurde später als wehruntauglich aus der Armee entlassen.
In den Jahren danach ließ er sich in Düsseldorf nieder, wo er auf so Persönlichkeiten wie Otto Dix und Gert Wollheim traf. Allesamt ebenfalls Mitglieder der Künstlergruppe „Junges Rheinland“. Dem aufmerksamen Leser dürfte spätestens hier klar sein, dass der künstlerische Weg für Otto Pankok vorbestimmt gewesen ist.
Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, den weiteren Werdegang Otto Pankoks etwas zu straffen und nicht bis ins letzte Detail zu erzählen. Letztendlich wäre ich – mangels künstlerischer Kompetenz – auch die komplett falsche Person hierfür und es gibt darüber hinaus fachlich weitaus bessere Quellen. Für mich ist in diesem Artikel einzig und allein die Zeit ab 1958 interessant, die auf seine Lehrtätigkeit an der Kunstakademie Düsseldorf folgte. Denn ab diesem Zeitpunkt wohnte die Familie Pankok auf Haus Esselt, welches auch Inhalt dieser kleinen Fotostrecke ist.
Pankoks Werk, stets geprägt durch den Einfluss seines großen Vorbildes van Gogh, besteht aus großformatigen Kohlegemälden, Holzdrucken, Skulpturen und vielem mehr. Wobei sein bekanntestes Werk der Holzschnitt „Christus zerbricht das Gewehr“ sein dürfte, welches im Rahmen der Friedensbewegung sehr oft gedruckt wurde. Den Mülheimer Lesern könnte eventuell noch das „Mädchen mit Ball“ im Stadtteil Saarn bekannt sein, doch auch im Münsterland finden sich allenthalben Spuren seines Schaffens. So steht zum Beispiel in der Kirche in Brünen die Plastik „Sitzende Frau mit in die Hände gestütztem Kopf“, welche dort als Mahnmal aufgestellt wurde.
Auf einen Punkt muss ich jedoch noch eingehen, bevor ich Euch die kleine Fotostrecke aus dem Haus Esselt zeigen kann. Warum heißt dieser Artikel „Der Gerechte“?
Dies geht auf eine Ehrung zurück, die die israelitische Holocaust-Forschungs- und Gedenkstätte Yad Vashem vergibt. Diese Ehrung – welche ganz genau „Gerechte unter den Völkern“ heißt – wurde im August 2013 dem Ehepaar Otto und Hulda Pankok posthum verliehen. Ein weiterer bekannter Träger dieser Auszeichnung ist zum Beispiel Oskar Schindler nebst Ehefrau.
Den Pankoks wurde diese Ehre zuteil, weil diese zusammen mit dem kath. Pfarrer Josef Emmons verhindert haben, dass das Ehepaar Brunhilde & Matthias Barz durch die Gestapo ermordet wird. Dies gelang nur, weil das Ehepaar Barz im Hause Pankoks untertauchen konnte. Die Eheleute Barz wurden von der Gestapo verfolgt, weil sie eine jüdische Schauspielerin gewesen ist und er ein Künstler, der von den Nazis mit Arbeitsverbot belegt worden war. Seine Werke galten in der Zeit des Nazi-Regimes als „Entartete Kunst“. Ein Umstand, welcher in der Zeit von 1933–1945 vollkommen ausreichte, um von der Gestapo verfolgt und ermordet zu werden.
Diese mutige und zugleich bewundernswerte Tat — das Verstecken der Eheleute Barz -, war für mich Grund genug, meinen Artikel mit dieser Überschrift zu versehen. Zeichnet dieses Handeln doch einen wahrlich Gerechten aus.
Nun bleibt mir an dieser Stelle nicht viel mehr übrig, als jedem vom euch einen Besuch auf Haus Esselt zu empfehlen, sich ein wenig mit dem Werk von Otto Pankok auseinanderzusetzen und gesund durch den bevorstehenden zweiten Lockdown zu kommen.
Euer Maic.
P.S: Verständlicherweise ist das gesamte Werk Otto Pankoks urheberrechtlich geschützt, weswegen ich Euch an dieser Stelle auch nur einen groben Abriss seines Schaffens zeigen kann. Seht diese Foto-Strecke also weniger als Gesamtübersicht, sondern viel eher als Appetithäppchen, welches Euch neugierig auf einen Besuch im Haus Esselt machen soll ;-)
[1] Otto Pankok in der Wikipedia
[2] Pankok Museum im Haus Esselt